Ab 2025 tritt eine der umfassendsten EU-Reformen im Bereich Nachhaltigkeit in Kraft: die Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR).
Ihr Ziel ist klar – weniger Verpackungsabfall, mehr Wiederverwendung und Recyclingfähigkeit. Doch die Auswirkungen gehen weit über Verpackungshersteller hinaus.
Auch Maschinenbauer, Automatisierer und Industrieunternehmen müssen künftig nachweisen, dass ihre Anlagen recyclinggerechtes Design und ressourceneffiziente Prozesse ermöglichen.
Die neue Verordnung betrifft damit nicht nur die Produkte, sondern auch die Produktionssysteme, die sie herstellen, befüllen oder verpacken.
1. Von der Richtlinie zur Verordnung – ein Paradigmenwechsel
Die bisherige EU-Verpackungsrichtlinie (94/62/EG) wurde von den Mitgliedsstaaten unterschiedlich umgesetzt.
Mit der PPWR geht die EU nun einen anderen Weg:
Es handelt sich nicht mehr um eine Richtlinie, sondern um eine Verordnun. Sie gilt direkt in allen Mitgliedsstaaten, ohne nationale Spielräume.
Für Unternehmen bedeutet das:
- einheitliche Regeln in allen EU-Ländern,
- höhere Anforderungen an Nachweis und Dokumentation,
- keine Übergangsfristen bei der nationalen Umsetzung.
Das Ziel: Kreislaufwirtschaft auf europäischem Niveau. Verbindlich, messbar, kontrollierbar.
2. Was die PPWR konkret fordert
Die neue Verordnung definiert eine Vielzahl an Verpflichtungen, die direkt oder indirekt den Maschinenbau betreffen.
Hier die wichtigsten Punkte im Überblick:
a) Design for Recycling
Verpackungen müssen so gestaltet sein, dass sie mindestens 70 % recycelbar sind.
Für Maschinenbauer bedeutet das:
Materialauswahl, Trennbarkeit und Verarbeitungseigenschaften rücken stärker in den Fokus – besonders bei Kunststoff-, Verbund- oder Papier-Verpackungen.
Maschinen, die Verpackungen formen, befüllen oder versiegeln, müssen künftig den Einsatz recyclingfähiger Materialien unterstützen.
b) Reuse und Refill
Wiederverwendbare Verpackungssysteme werden gesetzlich gefordert.
Bis 2030 sollen bestimmte Verpackungsarten (z. B. Transportverpackungen, Getränkeverpackungen) zu einem festgelegten Anteil wiederverwendbar sein.
Für Maschinenbauer ergeben sich daraus neue Anforderungen an:
- Befüll- und Reinigungssysteme für Mehrwegverpackungen,
- modulare Anlagen für wechselnde Verpackungsarten,
- automatisierte Rückführsysteme in der Logistik.
c) Reduktion von Verpackungsvolumen
Die PPWR begrenzt das Verhältnis von Verpackungsvolumen zum Produkt.
Das heißt: Verpackungen müssen effizienter, leichter und kompakter werden – ohne Schutz oder Funktionalität zu verlieren.
Das betrifft auch Verpackungsmaschinen, die auf kleinere Formate, Materialeinsparung und neue Geometrien reagieren müssen.
d) Digitale Produktpässe
Ein weiteres Schlüsselelement ist der digitale Produktpass, der ab 2030 für alle Verpackungen verpflichtend werden soll.
Er dokumentiert Materialzusammensetzung, Recyclingfähigkeit und Herkunft.
Für Maschinenbauer mit integrierten HMI- oder Traceability-Systemen entsteht hier eine Schnittstelle zwischen Produktion, Datenmanagement und Nachhaltigkeitsnachweis.
3. Auswirkungen auf mittelständische Maschinenbauunternehmen
Viele Unternehmen im deutschen Maschinenbau liefern Anlagen an Verpackungs-, Lebensmittel- oder Konsumgüterhersteller – und sind damit direkt Teil der Lieferkette, die unter die PPWR fällt.
Die zentralen Herausforderungen:
- Material- und Prozessanpassung: Maschinen müssen künftig eine größere Materialvielfalt verarbeiten können – von Monomaterial-Folien bis zu biobasierten Alternativen.
- Nachrüstbarkeit und Flexibilität: Anlagen, die nur auf ein Verpackungssystem ausgelegt sind, verlieren an Zukunftsfähigkeit. Gefragt sind modulare Konzepte.
- Datenintegration: Die Erfassung von Materialdaten, Energieverbrauch oder CO₂-Bilanz wird wichtiger – sowohl für Compliance als auch für das Marketing der Kunden.
- Zertifizierungsaufwand: Die Nachweispflichten steigen. Unternehmen müssen künftig dokumentieren, dass ihre Anlagen PPWR-konform produzieren können.
Wer jetzt investiert, kann daraus einen echten Wettbewerbsvorteil ziehen – nicht nur, um regulatorische Risiken zu vermeiden, sondern auch, um nachhaltige Innovationen gezielt zu positionieren.
4. Chancen durch Design und Innovation
Die PPWR zwingt Unternehmen dazu, Produkte und Prozesse neu zu denken und eröffnet damit Raum für Innovation.
Einige Beispiele:
- Reduktion durch Design: Wo Funktion, Ergonomie und Schutz intelligent kombiniert werden, lässt sich Verpackungsmaterial reduzieren, ohne Produktwert zu verlieren.
- Modularität statt Einmaltechnik: Maschinen, die sich für verschiedene Verpackungsgrößen oder -materialien umrüsten lassen, bleiben länger wirtschaftlich.
- Materialgerechtigkeit: Die visuelle und haptische Gestaltung von Verpackungen wird künftig auch ein Nachhaltigkeitssignal. Im Maschinenbau kann Design hier den Brückenschlag zwischen Technik, Marke und Ökologie leisten.
- Langlebigkeit von Anlagen: Wer Maschinen für 15–20 Jahre entwickelt, schafft automatisch mehr Nachhaltigkeit und verringert den ökologischen Fußabdruck pro produzierter Einheit erheblich.
5. Zeitplan und Vorbereitung
Jahr | Relevante Schritte |
2024 | Finaler Gesetzgebungsprozess in Brüssel; Unternehmen sollten sich informieren und Material-/Prozess-Audits starten |
2025 | Inkrafttreten der PPWR (voraussichtlich Q2 2025) |
2026–2029 | Übergangsphase, Anpassung von Verpackungsdesigns, Maschinen und Zertifizierungen |
2030 | Verbindliche Recycling- und Wiederverwendungsquoten, Pflicht zum digitalen Produktpass |
6. Fazit: Jetzt handeln – nicht warten
Die PPWR ist kein fernes Umweltthema, sondern eine strategische Weichenstellung für den europäischen Maschinenbau.
Wer früh reagiert, sichert sich Know-how, Innovationsvorsprung und Marktchancen.
Wer wartet, läuft Gefahr, 2027 vor einem enormen Anpassungsdruck zu stehen.
Die neue PPWR stellt Maschinenbauer vor neue Design- und Konstruktionsaufgaben – gleichzeitig bietet sie enorme Chancen, Prozesse effizienter und nachhaltiger zu gestalten.
In unserer Arbeit als Designagentur für die Industrie erleben wir, wie Design frühzeitig hilft, technische und regulatorische Anforderungen in marktfähige Innovationen zu übersetzen.
Wer diese Transformation strategisch angeht, gestaltet nicht nur Produkte, sondern Zukunft.
Quellen:
Vorschlag für eine Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle (Packaging and Packaging Waste Regulation – PPWR), COM(2022) 677 final.
https://environment.ec.europa.eu/publications/proposal-packaging-and-packaging-waste-regulation_en
Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle – PPWR.
https://www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/economy/20231123STO15635/ppwr-was-sich-an-den-eu-regeln-fur-verpackungen-andert
Kreislaufwirtschaft und Verpackungsverordnung – Ziele, Anforderungen, Auswirkungen.
https://www.umweltbundesamt.de/themen/abfall-ressourcen/kreislaufwirtschaft/verpackungen
EU-Verpackungsverordnung: Auswirkungen auf den Maschinenbau.
https://www.vdma.org
PPWR: Die neue EU-Verpackungsverordnung und ihre Folgen für Industrie und Handel.
https://verpackung.org
PPWR Explained – A guide for manufacturers and machine builders.
https://packagingeurope.com
EU-Verpackungsverordnung PPWR – Chancen und Herausforderungen für die Kreislaufwirtschaft.
https://www.bde.de